EL AUTOR Y SUS CRÍTICOS

Einleitung und Präsentation von drei Kommentaren zu Reinhardt, K. Migration und Weltbürgerrecht

Amelie Stuart
Universität Erfurt., Alemania

Revista de Estudios Kantianos. Publicación internacional de la SEKLE

Universitat de València, España

ISSN-e: 2445-0669

Periodizität: Semestral

vol. 8, num. 2, 2024

p.ordenes.azua@gmail.com

Empfangen: 20 November 2023

Akzeptiert: 27 November 2023



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Resümee: Schien Karoline Reinhardts Monographie Migration und Weltbürgerrecht. Zur Aktualität eines Theoriestücks der politischen Philosophie Kants bereits zum Erscheinungszeitpunkt 2019 überaus aktuell, hat sie seither nicht zuletzt aufgrund neu hinzugekommener oder sich verstärkender politischer und ökologischer Krisenherde auf der Welt sogar noch an Aktualität und Dringlichkeit gewonnen. Ausführlich wird dieser Aktualitätsbezug auch im Kommentar von Daniel Loewe dargestellt. Reinhardts Arbeit liefert hier einerseits eine wichtige Übersicht zu den Hauptpositionen in der gegenwärtigen philosophischen Debatte um Migration, entlang der Hauptströmungen des Kommunitarismus, egalitaristischem Kosmopolitismus und liberalen Nationalismus. Andererseits widmet sie sich Kants Weltbürgerrecht, wie er es in den Schriften Zum ewigen Frieden (1795) und in Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1797) vorlegt. Schließlich legt sie ihre eigene Ausarbeitung der zuvor entwickelten „produktiven Disharmonie“ von Kants politischer Philosophie gegenüber den gegenwärtigen Argumentationslinien vor. Insbesondere mit der von Reinhardt vorgelegten Interpretation von Kants Begriffen und der Begründung des Weltbürgerrechts befassen sich die Kommentare von Gustavo Leyva, Daniel Loewe und Roberta Picardi. Auf alle drei Kommentare antwortet Karoline Reinhardt in einem eigenen Beitrag.

Schien Karoline Reinhardts Monographie Migration und Weltbürgerrecht. Zur Aktualität eines Theoriestücks der politischen Philosophie Kants bereits zum Erscheinungszeitpunkt 2019 überaus aktuell, hat sie seither nicht zuletzt aufgrund neu hinzugekommener oder sich verstärkender politischer und ökologischer Krisenherde auf der Welt sogar noch an Aktualität und Dringlichkeit gewonnen. Ausführlich wird dieser Aktualitätsbezug auch im Kommentar von Daniel Loewe dargestellt. Reinhardts Arbeit liefert hier einerseits eine wichtige Übersicht zu den Hauptpositionen in der gegenwärtigen philosophischen Debatte um Migration, entlang der Hauptströmungen des Kommunitarismus, egalitaristischem Kosmopolitismus und liberalen Nationalismus. Andererseits widmet sie sich Kants Weltbürgerrecht, wie er es in den Schriften Zum ewigen Frieden (1795) und in Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1797) vorlegt. Schließlich legt sie ihre eigene Ausarbeitung der zuvor entwickelten „produktiven Disharmonie“ von Kants politischer Philosophie gegenüber den gegenwärtigen Argumentationslinien vor. Insbesondere mit der von Reinhardt vorgelegten Interpretation von Kants Begriffen und der Begründung des Weltbürgerrechts befassen sich die Kommentare von Gustavo Leyva, Daniel Loewe und Roberta Picardi. Auf alle drei Kommentare antwortet Karoline Reinhardt in einem eigenen Beitrag.

Gustavo Leyva widmet sich in seinem Kommentar zentralen Punkten von Reinhardts Argumentation, wie beispielsweise der Bedeutung und Struktur des Weltbürgers bei Kant und in der Interpretation Reinhardts, dem politischen Kontext des Weltbürgerrechts und der Pflicht zur Hospitalität und deren Einschränkung. Der Autor weist auf die unterschiedlichen Ebenen einer kapitalistischen Globalisierung hin, die auch wesentlich Einfluss auf Migration, Vertreibung und Flucht haben. Deshalb habe der Kantische Kosmopolitismus in seinen drei zentralen Dimensionen – moralisch, politisch und rechtlich – eine besondere Relevanz. Hier setzt Leyvas Kommentar an und merkt unter Verweis auf andere Kritiker an, dass die wesentliche Schwachstelle des von Kant konzipierten Völkerrechts die fehlende Zwangs- und Sanktionsgewalt der Staaten ist, wenn ein Mitglied gegen die vereinbarten Gesetze verstößt. Auch auf Ebene des Weltbürgerrechts stelle sich dieses Problem, da es nicht in einen institutionellen Rahmen integriert sei und Pflichtwidrigkeiten daher nicht geahndet werden könnten. Zudem seien die Pflichtinhalte des Weltbürgerrechts nur minimal, es gebe auch nur wenige Pflichten und es fehle eine Kodifizierung.

Indem er nach den Rahmenbedingungen für eine stärkere Verbindlichkeit des Weltbürgerrechts fragt, widmet sich Leyva ausführlich den von Reinhardt diskutierten und unterschiedlich bewerteten Begründungsstrategien des Weltbürgerrechts (vgl. Reinhardt, 2019, S. 170- 191) und plädiert für eine moralische Begründung des Weltbürgerrechts). Diese Begründung setzt er in Bezug zum Würdebegriff, wie Kant ihn in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten entwickelt. Aus dem dort dargelegten Verständnis der Würde des Menschen resultierten unmittelbare Verpflichtungen gegenüber der Menschheit an sich und allen ihren Mitgliedern. Angesichts gravierender globaler Ungerechtigkeiten und asymmetrischer Machtbeziehungen zwischen den Staaten ließe sich laut Leyva aus dieser moralischen Begründung ein normativ ambitionierter Vorschlag entwickeln. Er weist in diesem Zusammenhang auf die Arbeiten von John Rawls und Jürgen Habermas hin. Insbesondere in Habermas‘ Arbeiten zu globalen Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnissen sieht er eine wichtige Ergänzung zu Reinhardts Einordnung der Begründungen eines Weltbürgerrechts.

Daniel Loewe thematisiert in seinem Kommentar das bei Kant formulierte Verbot der Abweisung von Ankommenden, sollte eine Abweisung ihren „Untergang“ bedeuten. Dies bezieht sich vor allem auf die Kapitel 6, 11 und 12 bei Reinhardt. Loewe interessiert sich hierbei insbesondere für den Begriff des Untergangs bei Kant und dessen Reichweite sowie die von Reinhardt vorgelegte Interpretation, die er als Verdienst der Arbeit hervorhebt.

Darüber hinaus verfolgt er unter Rückgriff auf Reinhardts Interpretation in seinem Beitrag die Erweiterung des Verständnisses von Gastfreundschaft, indem er die Bedingungen der menschlichen Existenz und des Rechtsbegriffs um das ursprüngliche Recht auf Freiheit ergänzt. Loewe beginnt seinen Beitrag, indem er Kants Weltbürgerrecht mit der Genfer Flüchtlingskonvention kontrastiert. So untersucht er die Bedingungen der Forderung nach Hospitalität und deren Grenzen. Das kosmopolitische Recht, das sich auf die Bedingungen der Gastfreundschaft beschränkt, nenne zwei Pflichten: erstens die Pflicht, friedliche Personen, die kein Mitglied des eigenen Staatswesens sind, nicht feindselig zu behandeln, wenn sie im Land ankommen. Zweitens, diese fremden Personen nicht abzuweisen, wenn dies ihren Untergang bedeute (vgl. AA 8:357f.). Loewe führt aus, dass Kant hier bereits Grundgedanken vorwegnimmt, die erst 1951 in der Genfer Flüchtlingskonvention und in Artikel 14 der Erklärung der Menschenrechte von 1948 festgeschrieben wurden vor dem Hintergrund der massiven Fluchtbewegungen nach Ende des 2. Weltkriegs (vgl. Reinhardt, 2019, S. 213f.). Bei diesen von Kant konzipierten Pflichten handle es sich um vollkommene Unterlassungspflichten in Form von Rechtspflichten. Sie unterscheiden sich fundamental vom zuletzt vielfach diskutierten Recht auf Einwanderung oder offene Grenzen. Jene Pflichten beinhalten kein Gebot, alle Fremden aufzunehmen.

Loewe arbeitet in seinem Abgleich im Rekurs auf Reinhardt heraus, dass Kants Weltbürgerrecht im Gegensatz zur Genfer Flüchtlingskonvention vergleichsweise mehr Interpretationsraum habe und mehr Fälle abdecken könne, beispielsweise Argumente für die Aufnahme sogenannter „Klimaflüchtlinge“ liefere, da ihre Abweisung ihren Untergang bedeute. Was genau unter „Untergang“ zu verstehen ist, erläutert Loewe der Interpretation Reinhardts folgend so, dass der Untergang nicht gleichbedeutend mit dem Tod sei, sondern vom Begriff der Person aus gedacht werden sollte. Untergang bedeutet dann, all das zu verlieren, was die Person zur Person macht (vgl. Reinhardt, 2019, S. 219), etwa in Einzelhaft zu sein oder unter Bedingungen der Folter gebracht zu werden.

Die Pflicht zu ihrer Aufnahme sei zudem nicht in der Ursache ihrer Flucht begründet, denn es greife keines der fünf Kriterien der Konvention zur Feststellung einer Verfolgung (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, politische Überzeugung). Gleichermaßen lasse die Genfer Flüchtlingskonvention weitaus mehr Spielraum als das Weltbürgerrecht bei den drohenden Konsequenzen für abgewiesene Flüchtlinge als nur deren Untergang. Loewe nennt hier drohende Freiheitsbeschränkungen für politisch oder religiös Verfolgte. Er weist zudem darauf hin, dass die aktuellen politischen und rechtlichen „Entkoppelungspraktiken“ von territorialen und rechtlichen Grenzen gegen das Weltbürgerrecht verstoßen, da sie eine Ankunft verhindern.

Roberta Picardi konzentriert sich in ihrem Beitrag auf Eigentumsrechte und Migration, da insbesondere auf die Eigentumsrechte verwiesen werde im Zusammenhang mit staatlicher Souveränität und der Begründung von Grenzschließungen. Hier legt Picardi den Fokus ihrer Analyse insbesondere auf erstens „den Nexus zwischen privatem Landeigentum und öffentlichem Raum“ und zweitens auf den Status des peremtorischen Besitzes in Kants Rechtslehre. Picardi bezieht sich in ihrem Kommentar insbesondere auf Kapitel 13 in Reinhardts Buch: „Illegitime und legitime Abweisungsgründe“ für die Zurückweisung Fremder. Das Weltbürgerrecht beinhalte in seiner antikolonialen Stoßrichtung das Recht von Gemeinwesen, Ankommende abzuwehren, zu Kants Zeiten verstanden als die Zurückweisung von kolonialen Expansionsbestrebungen, so Reinhardt (vgl. 2019, S. 233). Ein Verdienst von Reinhardt sei es Picardi zufolge, dass die Autorin die Idee der rationalen apriorischen Begründung der Rechtspflicht mit den beiden empirischen anthropologischen Anwendungsbedingungen des Rechtsprinzips vermittle: der räumlichen Ausdehnung von Personen über den Erdball und die Endlichkeit der Erdoberfläche. Damit entwickle sie auf originelle Weise Otfried Höffes Untersuchung der kategorischen Rechtsimperative weiter. Im Zusammenhang mit dem Gegenstandsbereich erinnere sie daran, dass erstens Kant dem Erwerb und Besitz von Land einen systematischen Vorrang vor dem Erwerb und Eigentum an allen anderen äußeren Dingen einräume (vgl. Reinhardt, 2019, S. 131). Zweitens beinhalte Kants Konzeption von Eigentum als Rechtsinstitution das Recht des Ausschlusses anderer vom Gebrauch des Eigentums, sowie die Verbindlichkeit aller anderen, auf diesen Teil des Bodens zu verzichten (vgl. Reinhardt, 2019, S. 149). Der Souverän, der keine Privatperson ist oder sein kann und deshalb auch kein Privateigentum am Boden haben kann, habe jedoch als „Obereigentümer“ gegenüber den privaten Grundeigentümern im Staat einerseits das Recht, Steuern von ihnen zu verlangen und andererseits das Recht zur Einrichtung öffentlicher Räume, die sich nicht in Privatbesitz befinden (vgl. Reinhardt, 2019, S. 132f.).

Unter Rückgriff auf Lea Ypis Argumentation (vgl. Ypi, 2014) weist Picardi zudem darauf hin, dass das peremtorische Eigentum an Land und die Eigentumsansprüche von Individuen, Staaten und nicht-staatlichen Gruppen nur vorläufige Legitimität besitzen und dies Konsequenzen für deren Recht auf Ausschluss habe. In einer dichten Analyse der Folgen für die Souveränität und des Rechts auf Ausschluss betont Picardi die Notwendigkeit der Schaffung von politischen Beziehungen zwischen Staaten und Völkern, einschließlich nicht-Staaten, um in einem nächsten Schritt Fragen zu territorialen Ansprüchen und eben auch Migrationsbewegungen öffentlich aushandeln und verhandeln zu können.

Literatur

Reinhardt, K. (2019). Migration und Weltbürgerrecht: Zur Aktualität eines Theoriestücks der politischen Philosophie Kants. Alber.

Ypi, L. (2014). Commerce and Colonialism. In K. Flikschuh und L. Ypi (Hrsg.), Kant and Colonialism: Historical and critical perspectives (S. 99- 126). Oxford University Press.

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